Urteil im Neuensteiner Brandstifter-Prozess

Fast zehn Monate nach dem Brandanschlag auf eine Unterkunft von Geflüchteten in Neuenstein hat das Heilbronner Landgericht am 9. November 2017 die beiden Täter aus der rechtsextremen Szene zu Haftstrafen von mehr als vier Jahren verurteilt.
In der Nacht auf den 20. Januar 2017 hatten der 33-jährige Wolfgang K. und der 24-jährige Steve D. an zwei Häusern der noch unbewohnten Einrichtung in der Bahnhofstraße in Neuenstein die Fassade angezündet. Mit aus Grillanzündern und Zeitung gebastelten Brandsätzen hatten sie das Dämm-Material am Sockel der Gebäude in Brand gesetzt. Damit „keine Flüchtlinge mehr nach Deutschland kommen“, wie die Angeklagten vor dem Gericht erklärten.

Die Polizei war den beiden Neuensteinern bereits kurz nach der Tat auf die Schliche gekommen, weil Wolfgang K. sein Handy am Tatort vergessen hatte. Gegenüber der Polizei hatte der Neonazi die Tat anschließend eingeräumt und seinen Mittäter genannt. Eine Kooperation mit der Staatsgewalt, die sich für den dreifachen Familienvater und Werkzeugmechaniker im Prozess auszahlte – er profitierte von der Kronzeugenregelung. Auch bei der Aufklärung des Waffenarsenals, das die Polizei in seinem Haus fand, kooperierte K. mit den Behörden und nannte weitere Beteiligte. Gemeinsam mit ihnen hatte K. in Worms zwei Dekorations-Maschinenpistolen vom Typ Skorpion 61 Browning gekauft und umgebaut und K. hatte diese „für den Ernstfall“ aufbewahrt. Dafür waren bereits im August ein 38-Jähriger und ein 29-Jähriger wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz bzw. Beihilfe zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Hinzu kamen weitere Pistolen, Schalldämpfer und mehr als 1500 Schuss Munition, die Wolfgang K. in seinem Keller lagerte. Auch bei Steve D. wurde die Polizei fündig: Beamte beschlagnahmten einen Vorderlader mit Munition und Schwarzpulver. Zum Vorwurf der Brandstiftung kamen deshalb bei beiden Angeklagten auch Verstöße gegen das Waffen- bzw. Kriegswaffenkontrollgesetz hinzu. Im Erbgebnis muss Wolfgang K. für vier Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Sein jüngerer Bekannter Steve D. soll vier Jahre und sieben Monate in Haft verbringen.

Unterdessen dauern die regelmäßigen Kundgebungen der rechtsextremen Gruppe „Hohenlohe wacht auf“ im benachbarten Öhringen weiter an. Dort verbreiten seit dem Herbst 2015 Rassisten, Verschwörungstheoretiker und Neonazis ihre kruden Ansichten. Zwar hat sich die Zahl der Aufmarschierenden, unter denen sich zeitweise Angehörige der „Ludendorffer“ und der NPD/JN befanden, deutlich reduziert. Allerdings hat sich unter dem Öhringer Label ein harter völkischer und rassistischer Kern gesammelt. Wie im Laufe des Prozesses bekannt wurde, gehörten dazu zeitweise auch die beiden Brandstifter. Beide Täter waren in der Vergangenheit Teil des „Orga-Teams“ von „Hohenlohe wacht auf“. Wolfgang K. war dort von Anfang an als Ordner aktiv und Steve D. fungierte zeitweise als Anmelder der Versammlungen.

Ungeklärt bleibt bis heute ein weiterer Brandanschlag gegen eine Geflüchteten-Unterkunft in unmittelbarer Nähe: Bereits im November vergangenen Jahres hatte ein Brandanschlag eine Unterkunft in Pfedelbach zerstört. Das durch den Anschlag in der Nacht auf den 17. November 2016 schwer beschädigte Gebäude in der dortigen Kirchgasse musste daraufhin abgerissen werden.

Presse zur Brandstiftung in Neuenstein: Pressemitteilung der Polizei 20.1.2017 | Heilbronner Stimme 20.1.2017 | SWR 21.01.2017 | Spiegel Online | Heilbronner Stimme 23.01.2017 | SWR 23.01.2017 | Südwestpresse 25.01.2017 | Heilbronner Stimme 26.1.2017 | SWR 26.01.2017 | Heilbronner Stimme 11.02.2017 | Südwestpresse 01.08.2017 | SWR 23.10.2017 | Stuttgarter Nachrichten 23.10.2017 | Südwestpresse 23.10.2017 | Heilbronner Stimme 3.11.2017 | Südwestpresse 10.11.2017 | Antifaschistisches Infoblatt Nr. 117

Presse über „Hohenlohe wacht auf“: Stuttgarter Nachrichten 10.11.2015 | Heilbronner Stimme 19.12.2015 | Heilbronner Stimme 12.01.2016 | Südwestpresse 14.01.2016 | Beobachter-News 03.12.2016 | Südwestpresse 06.12.2016 | Stuttgarter Zeitung 06.12.2016 | Heilbronner Stimme 28.01.2017 | Heilbronner Stimme 11.02.2017 | Der rechte Rand März 2017 |

Die Organisierte Linke Heilbronn reagierte mit einem Videobeitrag auf die Serie rassistischer Gewalt im Hohenlohekreis.


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