Im vergangenen Jahr fanden zahlreiche Aktivitäten von rassistischen und extrem rechten Organisationen in Heilbronn und Region statt. Allen voran verankert sich die AfD immer weiter im Stadtbild und dient dabei einer diffusen rassistischen Bewegung als Zuhause. Vor allem in den sozialen Medien stoßen ihre Positionen auf eine rechte Echokammer, in der sich ihre Anhängerschaft gegenseitig bestärkt. Diese „besorgten Bürger“ bilden ein rechtes Netzwerk, das im vergangenen Jahr in wechselnden Konstellationen und Namen ihre Empörung in die Öffentlichkeit zu tragen versuchte.
Daneben gibt es weiterhin klassische Nazi- Zusammenschlüsse in Heilbronn, die den Fuß in der Tür halten. Sie schaffen es zwar weiterhin nicht rechte Stimmungen aufzugreifen und für ihre Zwecke zu nutzen, doch die überregionale Vernetzung und internen Strukturen sind vorhanden. Eine Tatsache, die nicht unterschätzt werden darf.
Um die genannten Entwicklungen besser nachvollziehen zu können, haben wir wieder versucht mit einer Chronik wichtige Ereignisse zu dokumentieren. Selbstverständlich ist die Auflistung unvollständig und soll vor allem als Überblick über die lokale Situation dienen. Wer mehr Informationen zu einzelnen Vorgängen hat oder etwas Wichtiges in der Chronik vermisst, kann sich gerne mit uns über kontakt[at]ngr-heilbronn.org in Verbindung setzen. Wir freuen uns über Ergänzungen.
Chronik extrem rechter Aktivitäten in Heilbronn und Region 2018
18. Januar: Stammtisch der rechtsextremen Initiative „Wir.hn“ um den Neonazi Michael Dangel.
23. Januar: Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch in Heilbronn an.
4. Februar:350 Personen, überwiegend türkische Nationalisten, demonstrieren aus Solidarität mit dem türkischen Militär in Syrien auf dem Kiliansplatz, es wird immer wieder der Wolfsgruß der faschistischen Bozkurts gezeigt.
15. Februar: Stammtisch der rechtsextremen Initiative „Wir.hn“ um den Neonazi Michael Dangel.
17. Februar: Ein 70-jähriger Mann sticht mit einem Messer auf drei Geflüchtete ein, die sich vor der Heilbronner Kilianskirche aufgehalten hatten. Ein 17-Jähriger aus Afghanistan erleidet dabei eine schwere Verletzung und muss mehrere Tage im Krankenhaus behandelt werden. Ein Syrer und ein Iraker werden leicht verletzt. Der Messerstecher erklärt nach seiner Festnahme gegenüber der Polizei, er habe „ein Zeichen gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik setzen wollen“. Direkt nach der Verhaftung ließen die Behörden den Täter wieder laufen. Erst nach anhaltendem öffentlichen Druck wurde er in Untersuchungshaft genommen. Inzwischen wurde der 70- Jährige wegen versuchten Mordes zu fünf Jahren Haft verurteilt. Mehr Informationen finden sich hier.
23. Februar: Am Rande der Mahnwache gegen rechte Gewalt des Netzwerk gegen Rechts Heilbronn (NgR) aufgrund der Messerattacke vor der Kilianskirche stehen einige Personen der lokalen rechtsextremen Szene am Rande. Am Ende der Kundgebung teilt die Polizei dem Anmelder der Mahnwache mit, dass es eine Bombendrohung gegeben habe, jedoch sei diese als nicht ernstzunehmend eingestuft worden.
27. Februar:Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch in Heilbronn an.
3. März: Die AfD Heilbronn reist mit einem eigenen Bus zur Demonstration „Kandel ist überall“ in die Stadt Kandel in der Südpfalz. Hintergrund ist der Mord an der 15-jährigen Mia, die am 27. Dezember 2017 von ihrem Ex-Freund mit einem Messer niedergestochen wurde. Da der Täter als Flüchtling in Deutschland lebt, versuchen seitdem rechte Gruppierungen wie die „Identitäre Bewegung“, Faschisten der NPD, rechte Hooligans und die AfD den Mord für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Unter den ca. 30 Personen, die sich an der Busanreise aus Heilbronn beteiligen, ist auch Franziska Gminder, Bundestagsabgeordnete der AfD für den Wahlkreis Heilbronn.
6. März: Die AfD veranstaltet ihre „Alternativen Stadtgespräche“ im Heilbronner „Wartberg Restaurant“.
8. März: Die rechtsextreme Initiative „Wir.hn“ um den Heilbronner Neonazi Michael Dangel veranstaltet einen „Compact Lesekreis“.
12. März: Die „Junge Alternative Heilbronn“ veranstaltet auf dem Heilbronner Friedensplatz eine Kundgebung, an der sich ca. 35 Personen beteiligen. Ziel der Kundgebung soll es sein, den Schülerinnen und Schülern der umliegenden Gymnasien die Arbeit der AfD näher zu bringen und über die demokratischen Grundwerte aufzuklären.
Die als Redner angekündigten Politiker Jörg Meuthen und Christina Baum sagen ihre Teilnahme im Vorfeld wieder ab. Neben der Landtagsabgeordneten Carola Wolle spricht unter anderem deren Sohn Marcel Wolle als Organisator und Vertreter der „Jungen Alternative Heilbronn“. Es finden sich hauptsächlich AfD-Funktionäre aus verschiedenen Regionen Baden-Württembergs zur Kundgebung zusammen.
An den Gegenprotesten des Netzwerk gegen Rechts Heilbronn (NgR) beteiligen sich ca. 350 Personen, darunter viele Schüler*innen. In der Woche zuvor ist die Kundgebung ein großes Thema in der regionalen Presse, da die drei Heilbronner Gymnasien die sechste Stunde ausfallen lassen, um die Schüler*innen nicht in Gefahr zu bringen.
Trotz des massiven Gegenwindes stuft Marcel Wolle die Kundgebung als vollen Erfolg ein und kündigt an, in Zukunft weitere Veranstaltungen dieser Art durchführen zu wollen.
23. März: Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch in Heilbronn an.
3. April: Die AfD Heilbronn veranstaltet im „Wartberg Restaurant“ ihr „Alternatives Stadtgespräch“ mit Udo Stein (MdL).
8. April:Stammtisch der „Jungen Alternative Heilbronn“.
19. April: Die „Identitäre Bewegung“ kündigt einen Stammtisch für Heilbronn an. Etwa zeitgleich tauchen Sticker der „Identitären Bewegung Heilbronn“ im Stadtbild auf.
22. April: Die faschistische Partei „Der dritte Weg“ verteilt nach eigenen Angaben in Heilbronn-Böckingen „antiimperialistische“ Flyer mit dem Titel „Kein deutsches Blut für fremde Interessen“.
27. April: Michael Dangel organisiert eine Veranstaltung mit dem NPD-Kader Stefan Hartung aus dem Erzgebirge und dem „Pegida-Gelgenmann“ Bernd A.. Dieser war durch Galgen mit den Namen von Angela Merkel und Sigmar Gabriel auf einer „PEGIDA“ Demonstration einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.
28. April: Die AfD organisiert eine Veranstaltung im Heilbronner Schießhaus mit Franziska Gminder und Rainer Podeswa. Nach eigenen Angaben besuchen die durch etliche Polizeikräfte geschützte Veranstaltung ca. 70 Personen.
29. April:Die „Junge Alternative“ veranstaltet einen Stammtisch.
8. Mai:Alternative Stadtgespräche des AfD- Kreisverbands Heilbronn mit MdB Marc Bernhard (AfD).
22. Mai – 25. Mai: Die AfD-Bundestagsabgeordnete Franziska Gminder organisiert eine Busfahrt und Bundestagsführung. Nach eigenen Angaben sind die 50 verfügbaren Plätze ausgebucht.
25. Mai:Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt für Heilbronn einen Stammtisch an.
5. Juni: Die AfD kündigt eine Mitgliederversammlung und alternative Stadtgespräche im Restaurant Wartberg an. Rainer Podeswa spricht über die jüngsten Wahlerfolge.
7. Juni: Stammtisch der rechtsextremen Initiative „Wir.hn“ um den Neonazi Michael Dangel.
8. Juni: Die AfD Baden- Württemberg organisiert einen Bus zum AfD-„Frauenmarsch“ in Berlin. Planmäßig soll der Bus auch einen Halt in Heilbronn einlegen. Da der Bus jedoch in Stuttgart angegriffen und beschädigt wird, muss die Fahrt abgebrochen werden.
22. Juni: Dennis Klecker (AfD) ersetzt Steffen Brod im Ilsfelder Gemeinderat. Klecker hatte auf der Liste der BWV/CDU-Fraktion kandidiert. Die CDU kommentiert, der Einzug des AfDlers über die BWV/CDU-Liste sei „sehr ärgerlich und bedauerlich“ und versichert, es gebe „in keiner Weise und auf keiner Ebene“ eine Zusammenrabeit mit der AfD.
29. Juni: Es erscheint die dritte Ausgabe der „Alternativen Nachrichten“ der AfD.
3. Juli: Der AfD Kreisverband Heilbronn veranstaltet die „Alternativen Stadtgespräche“ im Heilbronner „Wartberg Restaurant“. Antirassist*innen machen mit Flyern und Schildern auf die Veranstaltung aufmerksam. Im Anschluss an ihre Aktion schießen sie mit zwei Konfettikanonen durch eine offenes Fenster. Einzelne Teilnehmer der AfD- Veranstaltung stürmen aus dem Veranstaltungssaal und versuchen die Aktivist*innen am Gehen zu hindern. Nach Angaben der AfD verletzt sich eine Person durch einen Sturz an der Hand. Drei weitere Teilnehmer sollen nach Aussagen der AfD ein Knalltrauma erlitten haben. Da bei der Polizei Heilbronn ein Notruf eingeht, in dem von Schüssen die Rede ist, löst sie einen Großeinsatz aus, bei dem sogar ein Hubschrauber zum Einsatz kommt. Am nächsten Tag wird der Wartberg mit mehreren Beamten weitläufig nach Spuren abgesucht. Es kann keine tatverdächtige Person festgestellt werden.
12. Juli: In Erlenbach werden drei Polizisten bei einem Einsatz bei mehreren Reichsbürgern leicht verletzt. Ein Monteur hatte einen Zähler wechseln wollen, was ihm jedoch verwehrt worden sei, da von dem neuen Zähler eine Gesundheitsschädigung durch Strahlen verursacht werde. Daraufhin muss die Polizei mit mehreren Beamten anrücken und sich gegen den Widerstand der acht anwesenden Personen Zutritt zum Haus verschaffen. Es kommt zu einer Festnahme.
19. Juli: Die AfD kündigt einen Besuch im baden-württembergischen Landtag an.
20. Juli: Die AfD veranstaltet in der Heilbronner Harmonie eine Veranstaltung mit der Vorsitzenden der AfD- Bundestagsfraktion Alice Weidel. Zu der Veranstaltung kommen über 400 Menschen. Teilweise stehen die Zuhörer vor dem Veranstaltungssaal, um dem Vortrag zu folgen.
28. Juli:Eine junge Frau gibt bei der Polizei an, am Morgen des 28. Juli am Heilbronner Hauptbahnhof von zwei „arabischen“ Männern in ein Auto gezogen und vergewaltigt worden zu sein. Rechte Internetseiten und Facebookgruppen greifen den Vorfall auf und verbreiteten die Nachricht gepaart mit Aufrufen zur Selbstjustiz. Es stellt sich heraus, dass die Geschichte von der Frau frei erfunden wurde.
7. August:Der AfD Kreisverband Heilbronn kündigt alternative Stadtgespräche an.
22. August:Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch in Heilbronn an.
31. August: Nach den Vorfällen und Entwicklungen in Chemnitz kündigt die Facebookseite „Klare Kante für Heilbronn“ eine „Gedenkveranstaltung“ auf dem Heilbronner Marktplatz an. Mit Lichtern soll dem Getöteten gedacht werden. Da diese Versammlung nicht angemeldet wurde, findet nach Gesprächen mit dem Staatsschutz und Heilbronner Ordnungsamt keine Kundgebung statt. Stattdessen treffen sich ca. 30 Personen im Eiscafe „Presutti“.
4. September: Der AfD-Kreisverband Heilbronn kündigt „alternative Stadtgespräche“ an.
17. September:Die Landesgruppe Baden-Württemberg der AfD-Bundestagsfraktion kommt zu einer Veranstaltung in der Heilbronner Harmonie zusammen.
24. September: Der Heilbronner Kreisverband der NPD weiht nach eigenen Angaben auf einem Gartenstück im Heilbronner Raum eine „Schutzzonenhütte“ mit dem Parteivorsitzenden Frank Franz ein. Bei der Vorstellung des NPD-Projekts beteiligen sich nach eigenen Angaben 40 Personen.
2. Oktober: Die AfD veranstaltet einen Vortrag in der Schwaigerner Stadthalle bei dem unter anderem der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier zum Thema Migration spricht. An den Gegeprotesten beteiligen sich 200 Menschen aus unterschiedlichen Parteien und Organisationen.
15. Oktober: Nach einem Spiel der Heilbronner Falken spricht der Verein ein Stadionverbot gegen eine Person aus. Grund dafür ist laut „Heilbronner Stimme“ das Zeigen des verbotenen Hitlergrußes.
18. Oktober: Stammtisch der rechtsextremen Initiative „Wir.hn“ um den Neonazi Michael Dangel.
18. Oktober: In der „Heilbronner Stimme“ erscheint ein Artikel über die Ermittlungen gegen den Drogenring in der Heilbronner JVA. Mehrere Justizbeamte hatten sich demnach in WhatsApp Gruppen Hitlerbilder, Hakenkreuze und antisemitische Inhalte geschickt. Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und des Verdachts auf Volksverhetzung.
20. Oktober: Die rechte Facebookinitiative „Klare Kante für Heilbronn“ mobilisiert intern für eine Kundgebung auf dem Heilbronner Kiliansplatz. Nach Ankündigung von Gegenprotesten durch das Netzwerk gegen Rechts (NgR) macht der Anmelder einen Rückzieher und sagt die Veranstaltung ab.
23. Oktober:Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch in Heilbronn an.
31. Oktober: Der sachsen-anhaltinische AfD-Politiker André Poggenburg spricht in der Möckmühler Stadthalle. Dem voraus ging eine große Mobilisierung der Möckmühler Bürgerschaft zum Protest gegen die rechte Veranstaltung. Knapp 1.000 Menschen beteiligen sich unter dem Motto „Möckmühl steht auf!“ am Gegenprotest und übertreffen damit alle Erwartungen.
2. November: Die Anwältin des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben und ehemalige NPD-Aktivistin Nicole Schneiders hält auf Einladung von Michael Dangel einen Vortrag über die „Mythen des NSU-Prozess“ in Heilbronn.
11. November:Die NPD verteilt nach eigenen Angaben die Parteizeitung „Deutsche Stimme“ im Hohenlohekreis in Briefkästen.
21. November:Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch für Heilbronn an.
22. November: Stammtisch der rechtsextremen Initiative „Wir.hn“ um den Neonazi Michael Dangel.
4. Dezember: Neonazis des faschistischen „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“ (FHD) aus Pforzheim veranstalten gemeinsam mit der NPD eine Fackelmahnwache auf dem Heilbronner Wartberg. Sie wollen damit an die alliierten Luftangriffe auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 gedenken. Dem Aufruf folgen ungefähr 50 Nazis unter anderem aus Pforzheim, dem Kraichgau, dem Hohenlohekreis und aus Heilbronn. Kurzfristig finden sich 70 Antifaschist*innen zum Gegenprotest bei einer Kundgebung des Netzwerks gegen Rechts Heilbronn (NgR) auf dem Wartberg ein. Die Veranstalter des FHD kündigen an, im kommenden Jahr erneut eine Fackelmahnwache abhalten zu wollen.
8. Dezember: Ca. 30 Menschen folgen dem Aufruf der Facebookseite „Gelbwesten Heilbronn“ zu einem „Spaziergang“ auf dem Heilbronner Weihnachtsmarkt. Nach eigenen Angaben soll mit dem Spaziergang gegen die Ratifizierung des Migrationspaktes protestiert werden. Da die Versammlung nicht angemeldet wurde, leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein.
11. Dezember: Erneut rufen die „Gelbwesten Heilbronn“ zu einer Versammlung auf dem Heilbronner Weihnachtsmarkt, am Hafenmarktturm auf. Dem Aufruf folgen lediglich vier Personen. Spontan gehen 40 Antirassist*innen dagegen auf die Straße.
18. Dezember: Die „Identitäre Bewegung“ (IB) kündigt einen Stammtisch in Heilbronn an.
22. Dezember: Die NPD Heilbronn hält ihre Wintersonnenwendfeier im Raum Heilbronn ab. Bei strömenden Regen finden sich nach eigenen Angaben 15 Nazis auf einem Gartengrundstück zusammen.